Newsletter Sommer 2025
Liebe Leserinnen und Leser!
Der Sommer geht in den Endspurt, und wir liefern einiges an (Urlaubs-)Lektüre:
A) VMSÖ-Jahrestagung:
Die Jahrestagung am 04.10.2025 in Salzburg nähert sich mit Riesenschritten. Die online-Anmeldung und das Programm finden Sie hier.
B) Aktualisierte Empfehlung Strahlenschutzmittel:
Hier ein Hinweis auf die neuerliche geringfügige Novelle der Medizinischen Strahlenschutzverordnung. Sie besteht aus dem Entfall des letzten Satzes in Abs. 1 des § 31 (Anm.: Schutz bei zahnmedizinischen Röntgenuntersuchungen) und ermöglicht eine Vereinheitlichung der Empfehlungen über die (Nicht-)Verwendung von Strahlenschutzmitteln an Patient:innen auch auf dem Gebiet der Zahnmedizin. Die Empfehlungen bzw. Informationsmaterial für Patientinnen sind wie immer auf der VMSÖ-Webseite zu finden.
C) ICRP 2025:
Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) hält vom 7. Bis 9. Oktober in Abu Dhabi das “8th International Symposium on the System of Radiological Protection” ab. Ein Flug dorthin ist nicht unbedingt nötig. An den Grundlagen des Strahlenschutzes interessierte Kolleginnen und Kollegen können gegen eine Gebühr von 150.-€ auch online teilnehmen.
Weitere Infos unter https://www.icrp.org/page.asp?id=659
D) Orientierungswerte für Untersuchungen in der konventionellen Röntgendiagnostik:
Eine Gruppe engagierter Medizinphysiker*innen aus Deutschland, der Schweiz, Österreich (Universitätsklinik Innsbruck) und Italien (Bozen) hat unter der Federführung der Arbeitsgemeinschaft Physik und Technik (APT) Daten für die Erstellung von Orientierungswerten für Untersuchungen in der konventionellen Röntgendiagnostik gesammelt, für die bisher keine diagnostischen Referenzwerte vorliegen. Es handelt sich um Dosiswerte für die HWS, Ganzwirbelsäulenaufnehmen sowie diverse Aufnahmen des peripheren Skelettes. Es sind Orientierungs-, jedoch noch keine Referenzwerten, die aber für die Erstellung lokaler Referenzwerte verwendet bzw. verglichen werden können.
E) Weitere aktuelle Literatur:
Leung M, Tang IW, Lin JJY, et al. Cancer Incidence and Childhood Residence Near the Coldwater Creek Radioactive Waste Site. JAMA Netw Open. 2025;8(7):e2521926):
Diese US-amerikanische Studie hat Hinweise auf erhöhtes Krebsrisiko bei Anrainer:innen eines mit radioaktivem Abfall verseuchten Baches gefunden.
Im Rahmen des Manhattan-Projektes zur Entwicklung der Atombombe wurde außerhalb von St. Louis/Missouri eine ungesicherte Deponie mit radioaktiven Uran-Abfällen eingerichtet, die jahrzehntelang den Coldwater Creek und seine Umgebung verseucht.
Während zwei frühere Studien keinen sicheren Zusammenhang mit dieser radioaktiven Kontamination und dem Krebsrisiko in der Umgebung gefunden hatten, stützte sich die aktuelle Studie auf besonders genaue geographische Daten der erfassten Individuen. Diese Daten stammten aus der „St Louis Baby Tooth–Later Life Health Study“ (SLBT). Hier wurden in den 1960er und 1970er Jahren freiwillig gespendete Babyzähne von 55.000 Personen hinsichtlich ihrer radioaktiven Belastung analysiert. In der aktuellen Studie wurden aber nicht die Dosisdaten verwendet, sondern lediglich die Wohnortdaten aus der Kindheit der Proband:innen. Es konnte noch 5361 Erwachsene rekrutiert werden, deren genauer Kindheits-Wohnort mit seiner Entfernung zum Coldwater Creek mit der Häufigkeit von Krebserkrankungen (aufgeteilt in strahlensensible und nichtstrahlensensible Krebsarten) korreliert wurde. Es fand sich eine signifikante Relation zwischen der Krebshäufigkeit und der Wohnortentfernung zum verseuchten Bach. Die damit verbundenen konkreten Dosiswerte waren allerding nicht Gegenstand der Studie und wurden nicht angegeben.
Kim DD, Fendrick AM. Projected Savings From Reducing Low-Value Services in Medicare. JAMA Health Forum. 2025 Aug 1;6(8):e253050.
Diese Studie versuchte anhand bestehender Literaturdaten und Leitlinien (wie z.B. United States Preventative Services Task Force (USPSTF) oder Choosing Wisely) medizinische Anwendungen zu identifizieren, die wenig oder keinen Nutzen bieten und möglicherweise sogar Schaden verursachen. Es wurden 47 solcher Anwendungen eruiert. Unter den 5 am häufigsten nicht indizierten Leistungen waren 4 radiologische Diagnoseverfahren: Bildgebung für Plantarfasziitis, Schädeluntersuchungen wegen Kopfschmerzen und Synkope, sowie lumbosacrale Bildgebung bei Kreuzschmerz. Das fünfte Verfahren an der Spitze war die Vertebro -/ Kyphoplastie bei osteoporotischen Wirbelfrakturen.
Weiters wurden die Kosten dieser unnötigen Anwendungen quantifiziert. Dies geschah anhand einer Stichprobe aus 5% aller US-amerikanischen Medicare-Begünstigten über 65 Jahre aus den Jahren 2018-2020.
Hier befanden sich die oben genannten radiologischen Diagnoseverfahren eher im Hinterfeld. Finanziell am meisten ins Gewicht fielen das Screening für obstruktive Lungenerkrankung und für Bakteriurie, Vena cava-Filter, Ernährungssonden bei Dementen sowie das PSA-Screening.
Dabei ist zu beachten, dass die genannten Verfahren nicht pauschal als unnötig betrachtet werden, sondern nur deren undifferenzierte Anwendung, deren Anteil in dieser Studie quantifiziert wurde.
Insgesamt könnten bei einer konsequenten Einhaltung der (Nicht-)Empfehlungen an den 65,7 Millionen Medicare - Empfänger:innen etwa 4.4. Milliarden USD ohne negative gesundheitliche Auswirkungen eingespart werden. Die Autor:innen betonten, dass diese Schätzungen konservativ seien, da viele unnötige medizinische Verfahren weitere diagnostische und therapeutische Interventionen nach sich ziehen, die ein Vielfaches der ursprünglichen Kosten ausmachen können.
Was hat diese Studie mit dem medizinischen Strahlenschutz in Österreich zu tun?
Diese Studie repräsentiert primär das amerikanischen Gesundheitssystem, ihre Erkenntnisse sind aber wohl vom österreichischen nicht gar so weit entfernt, zumindest, was die radiologische Diagnostik betrifft. Auch wenn bei den genannten unnötigen Untersuchungen die MRT als Verfahren im Vordergrund steht, sind zu einem gewissen Anteil auch Verfahren mit ionisierenden Strahlen beteiligt, wie die Schädel-CT oder das LWS-Röntgen. Und diese werden nicht immer nur an den in dieser Studie untersuchten über 65-jährigen Patient:innen angewendet. In Österreich mag das Spektrum unnötiger medizinischer Verfahren im Detail anders gelagert sein. Nichtsdestotrotz erinnert uns diese Studie daran, dass die Anwendung medizinischer Verfahren laufend reflektiert werden muss, um ein Optimum für die Patient:innen zu erbringen. Es muss uns der zeitlose Grundsatz leiten: primum nihil nocere. Absicherungsmedizin und Gefälligkeitsuntersuchungen sollten da keinen Platz haben.
Leitlinie Fraktursonografie: Diese ist nicht ganz neu, wurde bereits am 1.2.2023 herausgegeben. Eine Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie hat uns darauf aufmerksam gemacht. Hier wird übersichtlich dargestellt, wo sich der Ersteinsatz der Sonographie anstatt dem Röntgen bei Frakturverdacht bei Kindern lohnt.
Noch einen schönen Sommer, und bis bald in Salzburg,
Herzlichst, Ihr/e
Elke Dimou, Martina Dünkelmeyer, Gerald Pärtan